Wirtschaftlicher Schock durch neue US-Zölle breitet sich weltweit aus
Die USA haben eine umfassende neue Welle globaler Zölle eingeführt. Präsident Donald Trump verkündete eine wirtschaftliche Neuausrichtung, die die Struktur des internationalen Handels neu gestalten soll. Laut hochrangigen US-Wirtschaftsvertretern haben sich Berichten zufolge mehr als 50 Länder an das Weiße Haus gewandt und um Zollbefreiungen gebeten. Die neue Politik hat bereits zu Marktvolatilität, wachsenden diplomatischen Spannungen und wirtschaftlichen Störungen in verschiedenen Sektoren geführt – insbesondere in exportstarken Volkswirtschaften wie Deutschland.
Während die US-Regierung die innenpolitischen Auswirkungen der Zölle herunterspielt, räumten Wirtschaftsberater wie Kevin Hassett, Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats, und Finanzminister Scott Bessent ein, dass viele Länder den Druck spüren. „Diese Zölle sollen ein maximales Druckmittel darstellen“, erklärte Bessent und fügte hinzu, die Regierung sei zu Gesprächen bereit – allerdings nur unter glaubwürdigen Bedingungen.
Deutschland gehört zu den am stärksten betroffenen Exporteuren
Für Deutschland, eine der weltweit führenden Exportnationen, sind die Folgen bereits spürbar. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt, dass die Gesamtkosten der US-Zölle für Deutschland zwischen 180 und 2025 bis zu 2028 Milliarden Euro erreichen könnten. Wichtige Branchen wie die Automobilindustrie, der Maschinenbau und das verarbeitende Gewerbe melden einen starken Rückgang der US-Nachfrage.
Besonders betroffen sind deutsche Unternehmen, die stark auf dem US-Markt engagiert sind. So rechnet beispielsweise der Hersteller von Ventilatoren und Lüftungssystemen EBM-Papst, der rund 15 Prozent seines Umsatzes in den USA erwirtschaftet, mit steigenden Kosten für fast die Hälfte seines US-Produktportfolios. Das Unternehmen erwägt bereits, seine Geschäftstätigkeit in den USA auszuweiten – ein Szenario, das mit Washingtons Strategie übereinstimmt, Arbeitsplätze in der Produktion zurück nach Amerika zu holen.
Europa tut sich schwer, eine einheitliche Antwort zu präsentieren
In Brüssel beraten die EU-Handelsminister derzeit in dringenden Gesprächen über die weitere Vorgehensweise. Zwar herrscht Einigkeit darüber, dass Vergeltungsmaßnahmen notwendig sein könnten, doch die 27 EU-Mitgliedstaaten sind sich über die Strategie uneinig. Länder mit starker Landwirtschaft sehen das Problem anders als solche mit einer großen Automobilindustrie. Diese interne Zersplitterung schwächt Europas Verhandlungsmacht in einer Zeit, in der koordiniertes Handeln entscheidend ist.
Kanada hat bereits mit verbrauchergetriebenen Boykotten reagiert, darunter Verbote für US-Produkte und Reisen. Die EU hingegen prüft noch ihre Optionen. Ein vertraulicher Entwurf einer Liste mit über 100 Gegenmaßnahmen wird derzeit geprüft und könnte sich gegen US-Produkte wie Whisky, Motorräder und digitale Dienste richten. Analysten warnen jedoch, dass Vergeltungsmaßnahmen die globalen Märkte weiter destabilisieren und die EU-Wirtschaft schädigen könnten.
Berlin balanciert zwischen Diplomatie und wirtschaftlichem Druck
Bundeskanzler Olaf Scholz steht in engem Kontakt mit den europäischen Institutionen und betont, dass ein offener Handelskrieg vermieden werden müsse. Dennoch wächst der Druck auf Berlin aus Industrie und Politik, eine entschiedenere Haltung einzunehmen.
Der ehemalige Wirtschaftsminister Robert Habeck kritisierte Trumps protektionistische Agenda und bezeichnete sie als Umkehrung der kooperativen Prinzipien, die einst dem Welthandel zugrunde lagen. „Die USA waren einer der größten Gewinner der Globalisierung. Dieses System jetzt zu zerstören, ist kurzsichtig und gefährlich“, sagte er.
CDU und SPD verhandeln derzeit über die Bildung einer neuen Koalitionsregierung und spüren bereits die innenpolitischen Folgen. Während die Aktienmärkte weiterhin schwanken und Industrieunternehmen mit Entlassungen drohen, rückt die wirtschaftliche Stabilität in den Koalitionsverhandlungen in den Mittelpunkt. CDU-Chef Friedrich Merz hat Sofortmaßnahmen wie Steuersenkungen, Bürokratieabbau und niedrigere Energiepreise vorgeschlagen, um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen.
Vorschläge zur Digitalsteuer und strategische Neupositionierung
Neben den Vergeltungszöllen erwägt Deutschland auch langfristige Strukturveränderungen. Franziska Brantner, Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium und Grünen-Vorsitzende, hat eine Digitalsteuer vorgeschlagen, die sich gegen in Europa tätige US-Technologieriesen richtet. Unternehmen wie Google, Amazon und Netflix erzielen in der EU derzeit trotz minimaler Steuerabgaben hohe Gewinne.
Das Ungleichgewicht im Handel mit digitalen Dienstleistungen – Europa importiert deutlich mehr aus den USA als es exportiert – bietet einen zusätzlichen Ansatzpunkt für Gegenmaßnahmen. Experten warnen jedoch, dass Europas Abhängigkeit von der digitalen Infrastruktur der USA seinen Handlungsspielraum einschränkt.
Dennoch gibt es Stimmen, die diese Krise als Chance nutzen wollen. Ökonomen wie DIW-Präsident Marcel Fratzscher argumentieren, die EU müsse ihre Abhängigkeit von den USA verringern, indem sie innerhalb des Blocks in digitale Technologien, Biotechnologie und Luft- und Raumfahrt investiert. Eine Stärkung des Binnenmarktes könnte dazu beitragen, die EU vor künftigem wirtschaftlichen Druck zu schützen.
Ungleiche Behandlung Russlands und der Ukraine schürt Kritik
Ein besonders umstrittener Aspekt der US-Zollpolitik ist ihre selektive Anwendung. Während die Ukraine mit neuen Zöllen konfrontiert ist, wurde Russland davon ausgenommen. Vertreter der Trump-Regierung erklärten, diese Entscheidung stehe im Zusammenhang mit den laufenden Friedensgesprächen über den Ukraine-Krieg. Kritiker argumentieren, solche Ausnahmen offenbarten Widersprüche in der US-Außenpolitik und untergruben deren Glaubwürdigkeit.
Trotz handelseinschränkender Sanktionen bleibt Russland ein wichtigerer Lieferant für die USA als die Ukraine. Im Jahr 2024 gelangten russische Waren im Wert von 3 Milliarden US-Dollar in die USA, verglichen mit 1.2 Milliarden US-Dollar aus der Ukraine. Der anhaltende Handel mit strategischen Gütern aus Russland hat bei den europäischen Verbündeten weitere Besorgnis ausgelöst.
Globale Handelsordnung in Gefahr
Experten warnen, dass Trumps aggressive Wirtschaftspolitik weitreichende Folgen für das globale Handelssystem haben könnte. „Die Weltwirtschaft läuft Gefahr, in eine neue Ära des Protektionismus einzutreten“, sagte Ökonom Andreas Baur vom ifo-Institut in München. Er wies darauf hin, dass die Geschichte zeige, wie schnell Zölle zu globalen Wirtschaftskrisen führen können, und verwies auf die Ereignisse der 1930er Jahre.
Der Wandel der USA von „America First“ zu dem, was Kritiker mittlerweile als „America Only“ bezeichnen, untergräbt die Grundprinzipien des internationalen Handels, die auf Regeln, Fairness und gegenseitigem Nutzen beruhen. Sollten andere große Volkswirtschaften ähnliche Strategien verfolgen, könnte der bestehende Welthandelsrahmen auseinanderbrechen und zu weitreichender Instabilität führen.