Digitale Zahlungen werden in Deutschland verpflichtend
Die nächste Bundesregierung, voraussichtlich gebildet von einer Koalition aus SPD und CDU/CSU, bereitet eine grundlegende Änderung der Zahlungsabwicklung im ganzen Land vor. Ein während der Koalitionsverhandlungen bekannt gewordener Plan sieht vor, dass alle Unternehmen in Deutschland künftig gesetzlich verpflichtet sein werden, neben Bargeld mindestens eine elektronische Zahlungsmethode anzubieten. Dieser Schritt, der vom SPD-Finanzexperten Michael Schrodi vorangetrieben wird, soll die Transparenz erhöhen und Steuerhinterziehung eindämmen, insbesondere in Branchen, in denen Bargeld dominiert.
Diese neue Verpflichtung würde alle Branchen betreffen, auch kleine Einzelhändler, Restaurants und Bäckereien. Laut der Arbeitsgruppe Finanzen, Steuern und Haushalt der Koalition ist der Vorschlag bereits in den vorläufigen Verhandlungsergebnissen verankert. Sollte er in Kraft treten, würde er einen tiefgreifenden Wandel in der traditionell bargeldlastigen Zahlungskultur Deutschlands bedeuten.
Bekämpfung von Steuerbetrug durch digitale Rückverfolgbarkeit
Erklärtes Ziel der Initiative ist es, Schlupflöcher zu schließen, die Steuerhinterziehung ermöglichen. Schrodi betonte, dass Branchen wie das Gastgewerbe aufgrund der hohen Bargeldnutzung besonders anfällig für nicht deklarierte Einkünfte seien. Durch die Einführung elektronischer Zahlungsmöglichkeiten könnten die Behörden bestehende Steuergesetze besser durchsetzen und konforme Unternehmen schützen.
Die Koalition beabsichtigt außerdem, die Nutzung elektronischer Registrierkassen verpflichtend einzuführen und offene Kassenladen, durch die unversteuerte Verkäufe unbemerkt bleiben, schrittweise abzuschaffen. Mit diesen kombinierten Maßnahmen hofft die Regierung, die geschätzten jährlichen Verluste durch Steuerbetrug in bargeldintensiven Branchen zu reduzieren. Derzeit gehen jährlich bis zu 15 Milliarden Euro an Einkommens- und Umsatzsteuer verloren. Der gesamte Haushaltsschaden, einschließlich nicht gemeldeter Löhne und nicht gezahlter Sozialbeiträge, könnte sich auf 70 Milliarden Euro jährlich belaufen.
Gemischte Reaktionen von Branchenverbänden
Die Reaktionen der Branchenverbände sind geteilt. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) äußerte Bedenken und warnte, dass kleine Unternehmen aufgrund der neuen Anforderungen an die Zahlungsinfrastruktur mit zusätzlichen finanziellen und administrativen Belastungen konfrontiert werden könnten. Für viele im Gastgewerbe, wo die Margen ohnehin knapp sind, sind die Kosten für Kartenterminals, Servicegebühren und Buchhaltungsanpassungen nicht unerheblich.
Die Deutsche Steuergewerkschaft hingegen unterstützt den Vorschlag mit der Begründung, dass vermehrte Kartenzahlungen zu deutlich höheren und präziseren Steuereinnahmen führen würden. Ihr Vorsitzender Florian Köbler betonte, dass eine Umstellung auf nachvollziehbare Transaktionen die Compliance und Fairness in der Wirtschaft deutlich stärken würde.
Kartenzahlungen hinken in Deutschland noch hinterher
Trotz der zunehmenden Verfügbarkeit von Kartenterminals hinkt Deutschland bei der Nutzung elektronischer Zahlungen anderen europäischen Ländern hinterher. Eine Studie der Boston Consulting Group zeigt, dass der durchschnittliche Deutsche im Jahr 2023 304 elektronische Transaktionen tätigte. Damit liegt das Land deutlich hinter Ländern wie Norwegen (815), Luxemburg (753) und Irland (705). Selbst das benachbarte Österreich, wo ähnliche kulturelle Vorlieben für Bargeld bestehen, verzeichnete mit 300 Transaktionen pro Kopf etwas weniger Transaktionen.
Traditionell schätzten die Deutschen die Vertraulichkeit und Einfachheit von Bargeld. Dieser Trend ändert sich jedoch. Laut einer Studie der Deutschen Bundesbank sank der Anteil der Bargeldtransaktionen von 83 Prozent im Jahr 2008 auf 51 Prozent im Jahr 2023. Der Rückgang ist teilweise auf die abnehmende Anzahl physischer Bankfilialen zurückzuführen, die es den Menschen zunehmend erschwert, Bargeld in ihrer eigenen Gemeinde abzuheben.
Zugang, Gleichheit und der Weg in die Zukunft
Während große Geschäfte in Städten oft bereits mit Kartenlesegeräten ausgestattet sind, ist die Umstellung in ländlichen und kleinen Geschäften seltener. Für viele Kunden – insbesondere ältere Menschen oder Menschen mit eingeschränkter Mobilität – könnte die Möglichkeit, in jedem Geschäft Karten zu verwenden, die alltäglichen Hürden deutlich reduzieren.
Der Regierungsvorschlag sieht keine Abschaffung des Bargelds vor, sondern zielt vielmehr darauf ab, eine echte Wahlfreiheit bei den Zahlungsmethoden zu gewährleisten. Dieses duale System soll den Verbrauchern zugutekommen und gleichzeitig die deutsche Einzelhandelsinfrastruktur im Einklang mit den europäischen Trends modernisieren.
Innerhalb der CDU dauern die Debatten an, und es besteht noch keine vollständige Einigung über den Plan. Die SPD scheint jedoch fest entschlossen zu sein, die elektronische Zahlungspflicht in den endgültigen Koalitionsvertrag aufzunehmen.
Sollte die Maßnahme angenommen werden, würde sie wahrscheinlich schrittweise umgesetzt werden, um den Unternehmen Zeit zur Anpassung zu geben. Während die Befürworter die Maßnahme als wesentlich für Steuergerechtigkeit und Modernisierung ansehen, werden ihre Einführung und Akzeptanz bei kleinen Unternehmen entscheidend für ihren Erfolg sein.