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Migrationswende zwingt Deutschland zum Umdenken in der Arbeitsmarktstrategie

by WeLiveInDE
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Die Kontrollen an den deutschen Bundesgrenzen zeigen messbare Wirkung. Ein vertraulicher Bericht aus Sicherheitskreisen zeigt, dass verstärkte Kontrollen an allen deutschen Außengrenzen die irregulären Migrationsströme unterbrochen haben. Die Behörden beobachteten zwischen Januar und März 2025 deutliche Veränderungen im Einreiseverhalten.

Die Westgrenze zu Frankreich ist nach wie vor die Zone mit den meisten illegalen Einreiseversuchen. Allein im März wurden 547 Personen bei dem Versuch, die Grenze von Frankreich aus zu überqueren, zurückgewiesen. An den Grenzen der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs wurden geringere Zahlen registriert. Die am häufigsten abgefangenen Personen besaßen die algerische, syrische, türkische, afghanische, tunesische oder marokkanische Staatsangehörigkeit.

Auch an den südlichen Grenzen Deutschlands ist die Zahl der Einreiseverweigerungen nach wie vor hoch, insbesondere aus Österreich und der Schweiz. Afghanische, ukrainische, syrische und marokkanische Staatsangehörige gehörten dort zu den am häufigsten abgelehnten Personen. An den östlichen Grenzen kommt es weiterhin zu illegalen Grenzübertritten, insbesondere aus Polen und der Tschechischen Republik. Die meisten Zurückweisungen sind auf fehlende Visa oder Aufenthaltsgenehmigungen zurückzuführen, wobei Ukrainer am stärksten betroffen sind.

An der Nordgrenze ist es weiterhin relativ ruhig; im März wurden nur 41 relevante unerlaubte Einreisen gemeldet. Finnlands Entscheidung, die Grenzen zu Russland zu schließen, scheint Auswirkungen auf ganz Nordeuropa gehabt zu haben und den Zugang nach Deutschland über die Nordische Route einzuschränken. Deutsche Beamte werten diesen „Dominoeffekt“ als Zeichen dafür, dass die Nachbarländer als Reaktion auf den politischen Kurswechsel Berlins ihre Kontrollen verschärfen.

Rückgang der Arbeitsmigration aus Osteuropa

Während die Grenzkontrollen verschärft werden, setzt eine weitere Entwicklung den deutschen Arbeitsmarkt unter Druck: der starke Rückgang der Arbeitsmigration aus Osteuropa. Migranten aus den Ländern der EU-Osterweiterung spielten einst eine entscheidende Rolle in der deutschen Erwerbsbevölkerung. Zwischen 2011 und 2015 kamen jährlich über 200,000 Arbeitskräfte aus Ländern wie Polen, Rumänien und Bulgarien. Bis 2023 sank diese Zahl jedoch auf nur noch 69,000 – ein Rückgang um 66 Prozent.

Dieser Rückgang ist teilweise auf die demografische Sättigung in den Herkunftsländern zurückzuführen, da viele von ihnen bereits große Teile ihrer mobilen Bevölkerung abwandern sehen. Deutschland leidet derzeit unter einem akuten Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Allein im Jahr 2024 gab es 487,000 unbesetzte Stellen, die spezifische Fähigkeiten erforderten.

Experten gehen davon aus, dass der demografische Wandel die Verfügbarkeit von Arbeitskräften in den kommenden Jahren weiter reduzieren wird. Ohne neue Strategien wird es für Deutschland zunehmend schwieriger, die Grundversorgung und die Industrieproduktion aufrechtzuerhalten.

Westbalkan-Regulierung bietet einen alternativen Weg

Als Reaktion auf die rückläufige Zuwanderung aus EU-Mitgliedsländern blickt Deutschland über den europäischen Kern hinaus. Die seit 2016 geltende Westbalkan-Regelung ermöglicht es Staatsangehörigen aus sechs Nicht-EU-Balkanländern, in Deutschland zu arbeiten. Sie benötigen lediglich ein Stellenangebot und die Zustimmung der Arbeitsagentur. Anders als bei traditionellen Einwanderungswegen sind – außer in reglementierten Berufen – keine formalen Qualifikationen erforderlich.

Die Regelung begrenzte die Einwanderung zunächst auf 25,000 Einreisen pro Jahr. Diese Zahl wurde jedoch bis 50,000 vorübergehend auf 2024 angehoben. Es gibt jedoch Pläne, die Obergrenze wieder zu senken. Dennoch hat das Programm konstante Ergebnisse gezeigt: Zwischen 46,000 und 2017 kamen jährlich rund 2021 Menschen ins Land.

Wichtig ist, dass sich Migranten aus dem Westbalkan in der Regel gut in den Arbeitsmarkt integrieren. Die meisten arbeiten sozialversicherungspflichtig und sind selten auf Sozialleistungen angewiesen. Da ihre Einreise auf eine Beschäftigung angewiesen ist, ist ihre Anwesenheit eng mit den Bedürfnissen der deutschen Wirtschaft verknüpft.

Forderungen nach Ausbau und Modernisierung der Arbeitsmigrationskanäle

Angesichts des Ausmaßes des Arbeitskräftemangels fordern Ökonomen eine Ausweitung des Westbalkan-Modells. Mögliche Kandidaten sind Georgien, Moldawien und die Türkei – Länder, die entweder EU-Kandidatenstatus haben oder enge Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland pflegen. Experten empfehlen zudem die Nutzung bilateraler Migrationsabkommen, um den legalen Zustrom von Arbeitskräften zu erleichtern und das Asylsystem zu entlasten.

Einer der wichtigsten Vorschläge besteht darin, sich auf die Rahmenbedingungen zu konzentrieren, anstatt jeden Aspekt der Personalbeschaffung zu kontrollieren. Das bedeutet, Visaverfahren zu vereinfachen, Zeitarbeitsfirmen die Personalbeschaffung zu ermöglichen und die Anerkennung von Qualifikationen zu digitalisieren. Das derzeitige Verfahren zur Bewertung ausländischer Qualifikationen ist nach wie vor zu fragmentiert und langsam, was zu unnötigen Verzögerungen führt.

Experten betonen, dass auch Bewerber ohne formale Qualifikation willkommen sein sollten, wenn ihre Fähigkeiten dem Arbeitsmarktbedarf entsprechen. Obwohl die deutsche Regierung von strengen Gleichwertigkeitsregeln Abstand genommen hat, muss sie die Art und Weise, wie sie berufliche Kompetenzen an Arbeitgeber anerkennt und kommuniziert, noch verbessern.

Von der Krisenreaktion zur langfristigen Planung

Die veränderte Migrationsdynamik – sowohl an den Grenzen als auch beim Arbeitskräfteangebot – unterstreicht die Notwendigkeit eines neuen Ansatzes. Deutschland muss nun klarer zwischen irregulärer Einreise und gesteuerter Arbeitsmigration unterscheiden. Zwar mag die Verschärfung der Grenzkontrollen die Belastung des Asylsystems verringern, doch trägt sie nicht dazu bei, die wachsende Lücke im Arbeitskräfteangebot zu schließen.

Die künftigen Maßnahmen der Regierung, darunter neue Quoten und Tarifverträge, werden darüber entscheiden, ob Deutschland auf einem globalen Markt, der zunehmend von der Mobilität der Fachkräfte geprägt ist, wettbewerbsfähig bleiben kann. Ohne wirksamere rechtliche Rahmenbedingungen könnten Branchen vom Gesundheitswesen bis zur Logistik vor anhaltenden Personalproblemen stehen.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Die Abhängigkeit von traditionellen EU-Arbeitskräften ist nicht länger tragbar. Will Deutschland seine Wirtschaft auf dem aktuellen Niveau halten und einen langfristigen wirtschaftlichen Niedergang vermeiden, muss es in eine moderne, anpassungsfähige und inklusive Migrationsinfrastruktur investieren.

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