Erster offizieller Streik im Kölner Ford-Werk: Tausende legen die Arbeit nieder
In einem beispiellosen Arbeitskampf legten Mitte Mai über 10,000 Beschäftigte des Ford-Werks Köln für 24 Stunden die Arbeit nieder. Es war der erste offizielle Streik in der 100-jährigen Geschichte des Werks. Der Schritt folgte auf Fords Ankündigung, 2,900 Stellen am Standort abzubauen, was in der Belegschaft große Wut und Unsicherheit auslöste. Die von der IG Metall organisierte Aktion erfolgte nach monatelangen, festgefahrenen Verhandlungen und gilt als verzweifelter Versuch, die Sparstrategie des Unternehmens in Deutschland zu stoppen.
Fords Erbe in Köln gefährdet
Für viele Mitarbeiter ist die Arbeit bei Ford mehr als nur ein Job – es ist Familientradition. Ahmet Cözmez, Entwicklungsingenieur im Werk, ist bereits in dritter Generation bei dem amerikanischen Automobilhersteller beschäftigt. Sein Großvater kam 1970 als Gastarbeiter aus der Türkei, und sowohl sein Vater als auch sein Großvater arbeiteten jahrzehntelang an den Fließbändern von Ford. „Die Ford-DNA steckt tief in uns“, sagte Cözmez und brachte damit die Enttäuschung vieler Arbeiter zum Ausdruck, die nun einer ungewissen Zukunft entgegensehen.
Der Slogan „Einmal Ford, immer Ford“ prägte einst die Loyalität der Arbeiter zum Unternehmen. Doch der geplante Stellenabbau hat dieses Vertrauen erschüttert. „Wir sind besorgt und angespannt“, sagte Cözmez und sprach damit vielen aus der Seele, die nicht nur um ihre Existenz, sondern um die Zukunft des gesamten Werks fürchten.
Solidarität aus ganz Deutschland und darüber hinaus
Was als lokaler Konflikt begann, erregte schnell nationale und internationale Aufmerksamkeit. Arbeiter anderer Ford-Standorte, darunter auch Saarlouis, standen ihren Kölner Kollegen zur Seite. Auch aus dem deutschen Bergbau- und Chemiesektor sowie von internationalen Gewerkschaften meldeten sich Unterstützung. Sogar Kulturschaffende beteiligten sich an der Aktion: Der Musiker Stefan Brings trat vor Ort auf, um die Stimmung zu stärken.
Der SPD-Politiker Jochen Ott gehörte zu den lautstärksten politischen Unterstützern. Er kritisierte Fords Umgang mit den Entlassungen und forderte strengere Sozialpläne. „Diese Belegschaft verdient eine faire Behandlung“, betonte Ott und fügte hinzu, das Unternehmen müsse wirksame Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten ergreifen, falls die Kürzungen fortgesetzt würden.
Electric Gamble fällt flach
Fords Europastrategie hat den Schwerpunkt auf Elektrofahrzeuge verlagert. Das Kölner Werk wurde für die Produktion zweier neuer Elektromodelle umgerüstet. Die Umsätze blieben jedoch hinter den Erwartungen zurück. Die zwei Milliarden Euro teure Investition des Unternehmens in die Elektrifizierung hat sich bisher nicht ausgezahlt. Der einst beliebte Ford Fiesta – zuvor in Köln gebaut – wurde 2 aus dem Programm genommen, um Platz für diese neuen Modelle zu schaffen.
Experten warnen, dass Ford, ein relativ kleiner Akteur auf dem europäischen Pkw-Markt, mit dem Umstieg auf Elektromobilität größere Schwierigkeiten hat als seine Konkurrenten. „Die deutschen Autohersteller sind spät in die Elektromobilität eingestiegen, aber Ford scheint noch weiter hinterherzuhinken“, sagte Anita Wölfl, Ökonomin am ifo-Zentrum für Innovationsökonomie und digitale Transformation.
Der wirtschaftliche Druck im gesamten Automobilsektor nimmt zu
Fords Probleme sind Teil einer größeren Krise der Automobilindustrie. Die deutsche Wirtschaft steckt das zweite Jahr in Folge in einer Rezession, und die Nachfrage nach Neuwagen ist stark zurückgegangen. „Wenn das Geld knapp ist, schränken die Leute große Anschaffungen wie Autos ein“, erklärte Wölfl.
Der Abschwung beschränkt sich nicht nur auf Ford. Auch Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW erleben einen Abschwung. Die Situation in Köln wird jedoch aufgrund ihrer symbolischen Bedeutung und des Potenzials für weitreichende Auswirkungen genau beobachtet.
Globale Auswirkungen und politische Unsicherheit
Der Ford-Streik in Köln könnte Auswirkungen über Deutschland hinaus haben. Wie Wölfl betont, ist die Automobilindustrie in einer riesigen, vernetzten globalen Lieferkette aktiv. „Auch Unternehmen, die nicht direkt beteiligt sind, spüren die Auswirkungen von Handelsstörungen und Entlassungen in Deutschland“, sagte sie.
Die zunehmenden Handelsspannungen zwischen den USA und Europa verschärfen die Instabilität zusätzlich. Die Drohungen des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump mit höheren Zöllen auf Autoteile haben die Branche bereits verunsichert. Die Kündigung der Patronatserklärung von Ford aus dem Jahr 2006, in der der US-Mutterkonzern die finanzielle Unterstützung seiner deutschen Tochtergesellschaft zugesichert hatte, hat die Insolvenzängste nur noch verstärkt.
Gewerkschaft fordert Arbeitsplatzsicherheit und soziale Garantien
Die IG Metall, Deutschlands größte Industriegewerkschaft, fordert mehr als nur einen Entlassungsstopp. Sie drängt auf einen verbindlichen Sozialplan, der großzügige Abfindungen, Umschulungsmöglichkeiten und rechtliche Absicherungen im Insolvenzfall umfasst.
Die Verhandlungen hatten sich über zwölf formelle Sitzungen hingezogen, ohne dass es zu nennenswerten Fortschritten kam, bevor der Streik ausgerufen wurde. Kurz vor dem Streik legte das Ford-Management ein neues Angebot vor, um die Gespräche wieder in Gang zu bringen. Die Details bleiben vertraulich, Gewerkschaftsvertreter bestätigten jedoch, dass man sich nun mit dem deutschen Management auf die wichtigsten Verhandlungspunkte geeinigt habe und nun auf eine Rückmeldung aus der US-Zentrale von Ford warte.
Ein Wendepunkt für Fords Zukunft in Deutschland
Während das Werk in angespannte Verhandlungen verwickelt bleibt, steht die Zukunft von Fords Standort in Köln – und möglicherweise sogar in Europa – auf dem Spiel. 11,500 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, und die öffentliche Aufmerksamkeit nimmt zu. Der Druck auf die Ford-Führung wächst.
Die IG Metall schließt weitere Streiks nicht aus, falls die Gespräche scheitern. Für viele Beschäftigte geht es um mehr als nur den Arbeitsplatz – es geht um den Erhalt der Würde, des Erbes und der Aussicht auf industrielle Stabilität an einem der traditionsreichsten deutschen Produktionsstandorte.