Deutschland ist mit einem gravierenden und zunehmenden Mangel an Fachkräften konfrontiert, der erhebliche Folgen für die Wirtschaft und verschiedene Branchen hat. Besonders akut ist der Mangel in den Bereichen Ingenieurwesen, Informationstechnologie (IT) und einer Reihe von Berufsfeldern, was zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führt und einen dringenden Bedarf an umfassenden Lösungen darstellt. Erschwerend kommt hinzu, dass es unbesetzte Ausbildungsplätze gibt, was den Mangel noch verschärft.
Wirtschaftliche Auswirkungen des Ingenieur- und IT-Mangels
Die Nachfrage nach Ingenieuren und IT-Fachkräften in Deutschland ist weiterhin hoch, getrieben durch die fortschreitende Digitalisierung und die Energiewende. Obwohl die Zahl der offenen Stellen im Vergleich zum Vorjahr um 15.6 % zurückgegangen ist, herrscht in Deutschland in diesen Bereichen immer noch ein erheblicher Mangel. Der Mangel ist so gravierend, dass er Schätzungen zufolge einen jährlichen wirtschaftlichen Verlust zwischen 9 und 13 Milliarden Euro verursacht. Diese Daten stammen aus einem Bericht des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), der die anhaltend hohe Nachfrage nach Fachkräften in den Bereichen Energie, Elektrotechnik und IT unterstreicht.
Der Mangel ist in bestimmten Regionen besonders akut, wobei Süd- und Ostdeutschland am meisten vom Zustrom ausländischer Ingenieure profitieren. Seit 2012 ist die Zahl ausländischer Fachkräfte in Ingenieurberufen um 146.6 % gestiegen und hat damit erheblich zur Belegschaft in diesen Sektoren beigetragen. Der Anstieg ausländischer Ingenieure war entscheidend, um einen noch größeren wirtschaftlichen Verlust abzumildern. Insbesondere Bayern, Hessen und der Großraum Berlin weisen die höchste Konzentration ausländischer Ingenieure auf, was die Bedeutung internationaler Talente für die Aufrechterhaltung der technologischen und wirtschaftlichen Führungsrolle Deutschlands unterstreicht.
Die umfassende Fachkräftekrise
Der Fachkräftemangel beschränkt sich nicht nur auf Ingenieurwesen und IT. Eine aktuelle Studie des IW prognostiziert, dass der Arbeitsmarkt bis 2027 in mehreren Schlüsselsektoren, darunter Verkauf, Kinderbetreuung, Sozialarbeit und Gesundheitswesen, mit gravierenden Defiziten konfrontiert sein wird. Die Studie hebt hervor, dass die Lücke im Verkauf besonders ausgeprägt sein wird, wo schätzungsweise 37,000 Stellen unbesetzt bleiben könnten. Auch in der Kinderbetreuung und Sozialarbeit wird die Nachfrage nach Fachkräften weiterhin das Angebot übersteigen, obwohl die Beschäftigung in diesen Bereichen wächst. Im Gesundheitssektor, der bereits unter Druck steht, wird bis 20,000 voraussichtlich ein Mangel von über 2027 Fachkräften auftreten, während im IT-Sektor 19,000 Fachkräfte fehlen könnten.
Dieser allgemeine Arbeitskräftemangel ist auf demografische Veränderungen zurückzuführen, insbesondere auf das Ausscheiden der Babyboomer-Generation aus dem Berufsleben. In Ostdeutschland dürfte die Situation noch gravierender sein, da die Erwerbsbevölkerung dort schneller altert. Die IW-Studie betont auch die Notwendigkeit einer stärkeren Integration ausländischer Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt und weist darauf hin, dass die Anerkennung ausländischer Qualifikationen beschleunigt werden müsse, um diese Lücken wirksam zu schließen.
Der Kampf um die Besetzung von Lehrstellen
Ein kritischer Aspekt des Arbeitskräftemangels in Deutschland ist die wachsende Zahl unbesetzter Ausbildungsplätze. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) blieben im Jahr 35 2023 % aller Ausbildungsplätze unbesetzt, die höchste Quote aller Zeiten. Dieser Trend stellt einen deutlichen Anstieg gegenüber 2010 dar, als nur 15 % der Stellen unbesetzt waren. Als Hauptgrund nennen die Arbeitgeber einen Mangel an geeigneten Bewerbern, was einen Wandel von einem arbeitgebergesteuerten Markt zu einem Markt widerspiegelt, auf dem potenzielle Auszubildende mehr Einfluss haben.
Besonders akut ist dieser Mangel in Berufen wie dem Baugewerbe und den persönlichen Dienstleistungen, wo fast die Hälfte aller Ausbildungsplätze unbesetzt bleibt. Besonders gravierend ist das Problem bei kleinen Unternehmen, die 57 % ihrer Ausbildungsplätze unbesetzt melden, im Vergleich zu nur 12 % bei großen Unternehmen. Das mangelnde Interesse an bestimmten Berufsbildern, verbunden mit ungünstigen Arbeitsbedingungen und einer negativen Wahrnehmung dieser Jobs, verschärft das Problem noch.
Um diesem Trend entgegenzuwirken, haben viele Unternehmen Prämien und Sonderzahlungen eingeführt, um Auszubildende anzuwerben. Diese Anreize haben die zugrunde liegenden Probleme jedoch noch nicht vollständig gelöst, und das Missverhältnis zwischen verfügbaren Stellen und dem Interesse der Bewerber nimmt weiter zu. Die Ergebnisse des IAB unterstreichen die Notwendigkeit einer strategischen Änderung der Förderung und Wertschätzung der Berufsausbildung auf dem deutschen Arbeitsmarkt.
Bemühungen zur Behebung des Mangels
Deutschlands Reaktion auf den Fachkräftemangel umfasst mehrere Initiativen zur Anwerbung und Integration ausländischer Talente. Das VDI-Projekt Xpand beispielsweise konzentriert sich auf die Unterstützung der Integration ausländischer Ingenieure in die Arbeitswelt und die Gesellschaft. Diese Initiative umfasst Mentorenprogramme, Netzwerkveranstaltungen und andere Ressourcen, um Neuankömmlingen bei der Anpassung an den deutschen Arbeitsmarkt zu helfen. Das Projekt unterstreicht die Bedeutung eines umfassenden Ansatzes, der über die bloße Besetzung von Stellen hinausgeht und stattdessen darauf abzielt, ein einladendes Umfeld für qualifizierte Fachkräfte aus der ganzen Welt zu schaffen.
Darüber hinaus wird zunehmend erkannt, dass die Lösung des Fachkräftemangels einen vielschichtigen Ansatz erfordert. Dazu gehört nicht nur die Anwerbung von mehr Frauen und jungen Menschen für technische und wissenschaftliche Berufe, sondern auch der Abbau bürokratischer Hürden für ausländische Arbeitnehmer und Studierende in MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Der VDI betont, wie wichtig es sei, Kinder schon früh für Technik und Wissenschaft zu begeistern, um die Zukunft der innovationsgetriebenen deutschen Wirtschaft zu sichern.
Die Straße entlang
Der Fachkräftemangel in Deutschland ist eine vielschichtige Herausforderung, die mehrere Branchen und Regionen betrifft. Insbesondere die Bereiche Ingenieurwesen und IT sind für die wirtschaftliche Stabilität und das Wachstum des Landes von entscheidender Bedeutung, weshalb der aktuelle Mangel besonders besorgniserregend ist. Gleichzeitig steht der breitere Arbeitsmarkt unter zunehmendem Druck, da der demografische Wandel den Pool verfügbarer Arbeitskräfte reduziert. Um seine Position als führende globale Volkswirtschaft zu behaupten, muss Deutschland weiterhin sowohl in inländische Talente als auch in die internationale Anwerbung investieren und gleichzeitig die systemischen Probleme angehen, die zu unbesetzten Stellen und mangelndem Interesse an beruflichen Karrieren führen. Der Weg in die Zukunft erfordert koordinierte Anstrengungen von Regierung, Industrie und Bildungseinrichtungen, um eine belastbare und anpassungsfähige Belegschaft aufzubauen, die den Anforderungen der Zukunft gerecht wird.