Die deutsche Industrie verzeichnete im März einen überraschenden Anstieg der Auftragseingänge. Sie verzeichnete ein Plus von 3.6 Prozent gegenüber dem Vormonat. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes ist dies das stärkste monatliche Wachstum seit Dezember. Für Analysten waren die Daten eine willkommene Überraschung, da sie nach der Stagnation im Februar und einem deutlichen Rückgang im Januar nur mit einer moderaten Erholung gerechnet hatten.
Das Bundeswirtschaftsministerium führte den Aufschwung teilweise auf eine erhöhte Bestelltätigkeit zurück, die durch die Sorge vor drohenden US-Zöllen ausgelöst wurde. Einige Hersteller bestellten in Erwartung weiterer Handelsbeschränkungen der Trump-Regierung überstürzt, was die Daten offenbar vorübergehend aufgebläht hat.
Die März-Zahlen geben zwar Anlass zur Hoffnung auf eine Stabilisierung, Wirtschaftsexperten warnen jedoch vor einer Überinterpretation. Die Verbesserung könnte nur von kurzer Dauer sein, da das globale Handelsumfeld weiterhin höchst unvorhersehbar und volatil ist, insbesondere aufgrund der veränderten US-Politik und der eskalierenden geopolitischen Spannungen.
Wirtschaftsführer fordern angesichts globaler Unsicherheit rasches Handeln der EU
Auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel richtete Wolfram Hatz, Präsident der Vereinigung der Bayerischen Industrie (vbw), einen direkten Appell an die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel. Er forderte Bundeskanzler Friedrich Merz auf, eine führende Rolle bei der Verteidigung und Weiterentwicklung des europäischen Wirtschaftsmodells zu übernehmen. Dabei bediente er sich der Rhetorik der anderen Seite des Atlantiks und formulierte den treffenden Slogan: „Machen Sie Europa wieder groß.“
Hatz warnte, Deutschlands Partner in Europa und im Ausland erwarteten Führungsstärke von Berlin, insbesondere in einer Zeit, in der die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unter Druck stünden. Der zunehmende Zollkonflikt zwischen den USA und China spüre die Schockwellen in den europäischen Ländern. Sowohl die USA als auch China gehören zu Bayerns wichtigsten Handelspartnern, und die sich verschlechternden Beziehungen bedrohen die lokale Industrie.
Eine von der vbw in Auftrag gegebene Studie skizziert drei mögliche Entwicklungen im Verhältnis zwischen der EU und China. Im wahrscheinlichsten Szenario verschärft sich der Handelskonflikt, es kommt aber nicht zu einer Eskalation. Selbst in diesem moderaten Szenario könnten die bayerischen Exporte um zehn Prozent sinken, was einem Verlust von 10 Milliarden Euro entspricht. Im schlimmsten Fall, einer militärischen Eskalation wegen Taiwan und einem völligen Zusammenbruch des Handels zwischen der EU und China, könnte Bayern allein durch Handelsverluste mit China bis zu 45 Milliarden Euro kosten.
Der Ruf nach einer ausgewogenen europäischen Antwort
Hatz betonte, dass die Europäische Union mit Zurückhaltung reagieren müsse, anstatt protektionistische Maßnahmen zu ergreifen. Statt Vergeltungszölle plädierte er für neue Partnerschaften mit Schwellenländern wie Indien, ASEAN und Mercosur. Der Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse – wie inkompatibler Standards, Importquoten und Lizenzbeschränkungen – würde dazu beitragen, Europas Offenheit und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, ohne die Spannungen zu verschärfen.
Die vbw betonte zudem, wie wichtig es sei, überfällige interne Reformen abzuschließen. Die europäischen Staats- und Regierungschefs werden dringend aufgefordert, sich auf den Abbau bürokratischer Hürden zu konzentrieren, die Innovation und Expansion auf dem gesamten Kontinent weiterhin behindern. Jüngsten Umfragen zufolge nennen mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen übermäßige Regulierung als größtes Hindernis, dicht gefolgt von Cybersicherheitsrisiken, hohen Energiepreisen und anhaltendem Arbeitskräftemangel.
Viele Unternehmen haben bereits begonnen, ihre Investitionen zurückzufahren oder Möglichkeiten zur Verlagerung ihrer Produktion ins Ausland zu prüfen. Insbesondere die Automobilindustrie, ein Eckpfeiler der deutschen Produktion, steht unter akutem Druck. Stellenabbau und Standortschließungen werden bereits diskutiert, was die Dringlichkeit struktureller Reformen unterstreicht.
Die Krise entsteht zu Hause: Die Rolle innenpolitischen Versagens
Neben dem globalen Gegenwind argumentieren viele Wirtschaftsführer, dass Deutschland mit internen, selbstverschuldeten Herausforderungen zu kämpfen habe. Hatz äußerte sich deutlich: „Alle Probleme, die sich Deutschland selbst geschaffen hat, müssen auch in Deutschland gelöst werden.“ Er forderte die Merz-Regierung auf, die inländischen Ineffizienzen direkt anzugehen, wenn deutsche Unternehmen auf den zunehmend feindlichen internationalen Märkten bestehen wollen.
Hohe Unternehmenssteuern, eine veraltete digitale Infrastruktur und ein schleppendes Genehmigungssystem werden häufig als Schwachstellen genannt. Diese Probleme verstärken die Auswirkungen der globalen Instabilität und beeinträchtigen Deutschlands Fähigkeit, innerhalb der Europäischen Union als widerstandsfähige Wirtschaftsmacht aufzutreten.
Europäische Wachstumsaussichten hängen von strategischen Investitionen ab
Trotz anhaltender Bedenken gibt es Anzeichen dafür, dass die Politik die Weichen für ein wettbewerbsfähigeres Europa stellt. Die Europäische Kommission bereitet lang erwartete Maßnahmen zur Straffung der Regulierungsprozesse und zum Abbau bürokratischer Hürden vor. Gleichzeitig erhöhen die nationalen Regierungen ihre Infrastrukturausgaben, was voraussichtlich die Konjunktur ab 2026 ankurbeln wird.
Parallel dazu beschleunigt Europa den Aufbau einer einheitlichen Verteidigungsindustrie, die ein wichtiger Wachstumsmotor sein könnte. Durch die Unterstützung grenzüberschreitender Rüstungsunternehmen will die EU sowohl ihre Sicherheitsautonomie als auch ihre industrielle Basis, insbesondere in Deutschland, stärken.
Diese Bemühungen gehen mit umfassenderen Ambitionen einher, Europa in strategischen Sektoren wie Energie, Halbleitern und künstlicher Intelligenz unabhängiger zu machen – Bereiche, in denen der Kontinent im Vergleich zur globalen Konkurrenz lange Zeit hinterherhinkte.
Trotz vorübergehender Gewinne bleiben die Aussichten fragil
Die Industrieentwicklung im März sorgte zwar für einen dringend benötigten Stimmungsaufschwung, doch Experten sind sich einig, dass sie keine nachhaltige Trendwende signalisiert. Die positiven Zahlen waren eher präventivem Handeln als einer zugrunde liegenden Dynamik zuzuschreiben. Angesichts der nach wie vor unberechenbaren US-Handelspolitik und der anhaltenden Gefahr einer globalen Fragmentierung der Wirtschaft befinden sich die deutsche und europäische Industrie weiterhin in einer heiklen Lage.
Eine langfristige Erholung hängt nicht von kurzfristigen Erfolgen ab, sondern von politischer Entschlossenheit, regulatorischer Modernisierung und koordiniertem Handeln in der gesamten Europäischen Union. Der Aufruf „Make Europe Great Again“ ist mehr als nur ein Slogan – er spiegelt einen wachsenden Konsens darüber wider, dass sich die EU wirtschaftlich behaupten und gleichzeitig die Fallstricke des Isolationismus vermeiden muss.