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Deutschland ist nicht mehr das wichtigste Asylland, da die Zahl der Asylbewerber sinkt und die Rechtsdebatte sich verschärft

by WeLiveInDE
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Antragszahlen deutschlandweit stark rückläufig

Im ersten Quartal 2025 verzeichnete Deutschland einen deutlichen Rückgang der Asylanträge. Die Gesamtzahl sank auf 41,123. Dies ist ein deutlicher Rückgang gegenüber dem gleichen Zeitraum 2024, als 71,061 Anträge gestellt wurden. Im März 2025 wurden nur 10,647 Anträge gestellt, darunter 8,983 Erstanträge. Dies ist nicht nur ein Rückgang um 45.3 Prozent gegenüber März 2024, sondern auch der niedrigste Märzwert seit drei Jahren.

Deutschland, lange Zeit als wichtigstes Zielland für Asylsuchende in der Europäischen Union angesehen, liegt nun auf Platz drei. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verzeichneten Frankreich und Spanien im Februar 2025 jeweils mehr Asylanträge und überholten Deutschland damit erstmals seit Jahren. Frankreich erhielt 13,080 Anträge, Spanien 12,975. Deutschland folgte mit 12,775.

Die Gründe für diesen Wandel sind komplex. Während Regierungsvertreter nationale und europäische Maßnahmen dafür würdigen, vermuten Experten eine Kombination aus innenpolitischen Veränderungen, Entwicklungen in den Herkunftsländern und einer breiteren regionalen Dynamik.

Grenzkontrollen und politische Veränderungen spielen eine Rolle

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte, die strengen Grenzkontrollen und die verstärkte Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union hätten zur Reduzierung der irregulären Migration beigetragen. Seit Herbst 2024 führt die Grenzpolizei an allen Grenzen Stichprobenkontrollen durch und weist rund 50,000 Personen ab. Darunter sind auch Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die erneut einreisen wollten.

Darüber hinaus hat Deutschland das Asylrecht verschärft. Neue Richtlinien geben den Strafverfolgungsbehörden mehr Befugnisse bei der Durchsuchung von Flüchtlingsunterkünften und ermöglichen eine längere Inhaftierung vor der Abschiebung. Bemerkenswert ist, dass Deutschland nach einer langen Aussetzung auch die Abschiebungen nach Afghanistan wieder aufgenommen hat. Diese Maßnahmen sollen illegale Einreisen verhindern und eine entschlossenere Migrationspolitik signalisieren.

Forscher warnen jedoch davor, diesen Trend ausschließlich der nationalen Politik zuzuschreiben. Migrationsentscheidungen werden oft von persönlichen Netzwerken, dem Zugang zu Gesundheitsversorgung, Sicherheit und Bildung im Aufnahmeland beeinflusst.

Weniger Ankünfte aus wichtigen Herkunftsländern

Besonders stark war der Rückgang der Asylanträge bei Antragstellern aus Syrien, Afghanistan und der Türkei. Im ersten Quartal 2025 sank die Zahl der Erstanträge von Syrern im Vergleich zum Vorjahr von 19,687 auf 9,861. Die Zahl der afghanischen Anträge sank um 42.5 Prozent auf 5,616, während die Zahl der türkischen Anträge um über 61 Prozent auf nur noch 3,755 zurückging.

Ein Faktor, der zum Rückgang der syrischen Asylgesuche beiträgt, ist die politische Lage im Land. Nach dem Sturz des Assad-Regimes und der Einsetzung einer Übergangsregierung dürften die Bemühungen um eine Stabilisierung des Landes für einige die Fluchtgefahr verringert haben.

Das BAMF verwies auch auf Serbiens Vorgehen an der Grenze zu Ungarn als wichtigen externen Einfluss. Strengere Kontrollen dort schränken den Zugang zu den Migrationsrouten ein, die traditionell von Asylsuchenden auf dem Weg nach Deutschland genutzt werden.

Europäisches Asylsystem und Dublin-Abkommen unter Druck

Trotz anhaltender Diskussionen über eine reformierte europäische Asylpolitik (GEAS) funktioniert die Dublin-Verordnung, die die Verteilung von Asylsuchenden innerhalb der EU regelt, weiterhin ineffizient. Von Januar bis März 2025 stellte Deutschland 13,223 Anträge auf Rückführung von Asylsuchenden in die EU-Länder, in denen sie ursprünglich eingereist waren. Nur 8,929 dieser Anträge wurden bewilligt, und in nur 1,715 Fällen erfolgte die tatsächliche Überstellung.

Diese Situation verdeutlicht die Herausforderungen, ein ausgewogenes und funktionierendes Asylsystem in den EU-Mitgliedsstaaten zu schaffen. Zwar werden neue gesetzliche Rahmenbedingungen ausgehandelt, doch die Durchsetzung ist nach wie vor begrenzt, und die Belastungen verteilen sich weiterhin ungleichmäßig auf Länder wie Deutschland.

Rechtliche Grenzen restriktiver Vorschläge

Auch die Debatte um die Asylreform ist wieder auf rechtliche Grundlagen zurückgekommen. Einige politische Stimmen fordern feste Obergrenzen oder Quoten für die Zahl der Flüchtlinge, die Deutschland jährlich aufnimmt. Rechtsexperten betonen jedoch, dass solche Obergrenzen mit Deutschlands verfassungsrechtlichen und internationalen Verpflichtungen unvereinbar seien.

Professorin Nora Markard, Expertin für Völkerrecht, erklärte, dass jede Abschaffung des individuellen Asylrechts für Deutschland den Austritt aus zahlreichen Verträgen bedeuten würde, darunter der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Zudem würde dies gegen EU-Recht verstoßen, insbesondere gegen die Charta der Grundrechte und mehrere verbindliche Richtlinien.

Selbst wenn Deutschland diese Rahmenbedingungen verlassen würde, bliebe das Verbot der Rückführung von Personen in Länder, in denen ihnen Verfolgung, Folter oder unmenschliche Behandlung droht – bekannt als Grundsatz der Nicht-Zurückweisung– würde weiterhin gelten. Dieses Prinzip gilt als Teil Jus Cogensoder zwingendes Völkerrecht und können nicht durch nationale Gesetzgebung außer Kraft gesetzt werden.

Markard betonte, dass zusätzliche humanitäre Aufnahmeprogramme und Flüchtlingsquoten zwar das Asylsystem ergänzen könnten, sie jedoch den Rechtsschutz für Personen, die an der Grenze ankommen und Schutz suchen, nicht ersetzen könnten.

Schutzstatus und Bearbeitungsrückstände

Die Schutzquote – der Anteil der Asylbewerber, denen ein Status zuerkannt wurde – ist auf 18.5 Prozent gesunken. Das ist weniger als die Hälfte der Quote von 2024, die bei 44.4 Prozent lag. BAMF-Beamte warnen jedoch, dass die aktuelle Zahl möglicherweise nicht aussagekräftig sei, da die meisten Asylentscheidungen für syrische Antragsteller aufgrund der unsicheren politischen Lage in ihrem Heimatland ausgesetzt wurden.

Ende März 2025 waren in Deutschland noch fast 181,000 Asylverfahren anhängig, ein Rückgang von 7.5 Prozent gegenüber dem Vormonat. Der Stillstand der syrischen Verfahren trägt maßgeblich zu diesem Rückstand bei. Es gibt derzeit keinen Zeitplan für die Wiederaufnahme der Entscheidungen.

Öffentliche und politische Reaktionen

CDU und SPD, die derzeit über die Bildung einer neuen Bundesregierung verhandeln, begrüßen den Rückgang der Asylzahlen. Die niedrigeren Zuwanderungszahlen verringern den Druck auf die Kommunen, die ohnehin mit der Unterbringung und Integrationskapazität zu kämpfen haben.

Die Diskussionen über die Einführung strenger Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen dürften jedoch anhalten. Befürworter argumentieren, dies würde den Behörden eine bessere Planung ermöglichen, während Kritiker die rechtlichen und moralischen Verpflichtungen Deutschlands betonen.

Der aktuelle Trend mag zwar für einige politisch günstig sein, hat aber die systemischen Herausforderungen des deutschen und europäischen Asylsystems nicht gelöst. Rechtliche Rahmenbedingungen, Menschenrechtsverpflichtungen und humanitäre Erwägungen prägen weiterhin eine komplexe und sich entwickelnde Debatte.

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